Dienstag, 31. Juli 2007

Airmate - Carry On Wise Guy

Kaum zu glauben, dass hinter Airmate ein erst 27-jähriger Vollblutmusiker steckt - so vollgesogen mit Soul, Wissen und Studioerfahrung ist das Album „Carry On Wise Guy“. Bei Hannes Bieger aber ist die Rede vom Ausnahmetalent tatsächlich angemessen. Nach Deep-House-Hits, Filmmusik und der LP des Duos Llava debütiert er nun mit seinem Solo-Projekt Airmate und lässt seiner großen Leidenschaft für Soul freien Lauf. Dafür hat er sich mit hochkarätigen Vokalisten aus London, New York und Berlin in sein Kreuzberger Studio begeben. Entstanden ist ein facettenreiches Produzentenalbum, das zeitlosen Soul mit Pop-Appeal, Clubenergie und Jazzsensibilität verwebt. Der Opener „Messing Around“ gibt den Vibe vor, auf dem sich das vielseitige Spektrum von „Carry On Wise Guy“ entfaltet: immer soulful, erdig und ehrlich. Über einer funky Minimoogfigur und tighten Breaks singt kein Geringerer als Mozez von der britischen Band Zero 7, als sei Curtis Mayfield zu Besuch im Kiez. Wahrhaftige Hitqualitäten hat auch „Let It Go“, das in Zusammenarbeit mit der fantastischen Izzi Dunn entstanden ist. Der kompakte Popsong ist der renommierten Sängerin und Cellistin (u. a. Gorillaz, 4hero, George Harrison) auf den Leib geschneidert: deep und doch leichtfüßig schwebt sie über einem lässigen Downbeat, der auch Erykah Badu stehen würde. An die goldenen Siebzigerjahre des Soul von Al Green bis Donny Hathaway knüpfen die charmanten Bläsersätze von „Doin’ Rounds“ mit der De-Phazz-Sängerin Pat Appleton an. Die Schnittstelle zum Neo-Folk füllt Newcomer Thief mit „Slow Down“ mit verträumter Sehnsucht. Dass Airmate auch im Club zuhause ist, wird spätestens bei „No Chains“ klar: 7 Minuten Rhythmus-Eleganz, die Broken Beats auf den Floor zurückholen. Fat Jon von den Five Deez erweitert mit rasantem Storytelling die beachtliche Bandbreite des Albums um HipHop der Open Minded School. Einer der Höhepunkte von „Carry On Wise Guy“ ist das hypnotisch kribbelnde Stück „The Love Below“ mit Platnum. Referenzen helfen hier nicht viel weiter: das ist große Kunst, die jedem Musikliebhaber schlichtweg die Schuhe ausziehen dürfte. Alleine schon durch die internationale Auswahl an Sängerinnen und Sängern überschreitet Airmate mühelos lokale und nationale Grenzen. Zwar entpuppt sich Hannes Biegers Homebase in Berlin mehr und mehr zu einem Knotenpunkt für Soulhybride um Protagonisten wie Jazzanova. Biegers Jazzsensibilität aber knüpft viel mehr an die Übersetzung klassischer Ideale an, ähnlich wie bei 4hero. Die Pop-Momente erinnern an genresprengende Acts wie Moloko oder Portishead. Und das hier produktiv gemachte Musikwissen reicht von einer Wertschätzung von Led Zeppelin über Pharoah Sanders und Antonio Carlos Jobim bis zu Lalo Schifrin und Matthew Herbert. All diese Einflüsse nutzt Hannes Bieger, um die Konturen seiner musikalischen Philosophie zu schärfen und sie formvollendet in die Praxis umzusetzen: Musik muss zugänglich und komplex zugleich sein. Unter den Ebenen der einladenden Geste des Pop und der unmittelbaren Intensität des Soul eröffnen sich komplexe Strukturen und ein Reichtum an Details. Ein Statement für sich sind die Produktionsmittel. Am Wettlauf um die neusten Plug-Ins beteiligt sich Hannes Bieger nicht. Lieber verlässt sich er sich auf seine exquisite Sammlung analoger Instrumente: Minimoog, Fender Rhodes, Wurlitzer und Clavinet zeichnen für das warme und edle Klangbild verantwortlich. Als Spezialist und Fachautor im Bereich High-End-Vintage-Recording lässt er aber nicht nur uralte Röhrenkompressoren, sondern natürlich auch digitale Mittel für sich arbeiten – ohne dabei die Magie des Moments zu zerstreuen: nur ein halbes Jahr dauerte die Produktion des Albums. „Carry On Wise Guy“ ist die beeindruckende Kür eines der größten Talente aus der hiesigen Produzentenlandschaft. Mithilfe einiger seiner Lieblingsvokalisten hat Hannes Bieger alias Airmate fünfzehn makellose und pulsierende Stücke erschaffen, die unmittelbar berühren, bewegen, und mit der Zeit wachsen. So offen Airmates Auslegung von guter Musik ist, so schlüssig und rund produziert fängt er dabei Soul als universellen Vibe ein.

Keine Kommentare: